Freundschaft Plus: Der schmale Grat zwischen Sex und Gefühlen

Zusammen lachen, ohne Stress über Gott und die Welt reden können und als Sahnehäubchen noch regelmäßig eine Runde guten Sex. Diese Beschreibung von Freundschaft Plus klingt verlockend unbeschwert.

Doch was genau steckt hinter der in Mode gekommenen Beziehungsform, also was ist Freundschaft Plus? Und wie grenzt sich F+ von einer herkömmlichen Liebesbeziehung oder Affäre ab? Diesen und vielen weiteren Fragen gehen wir nachfolgend für dich auf den Grund.

Was ist eine Freundschaft+?

Die konkrete Definition von Freundschaft Plus liest sich so: Zwei bislang ausschließlich freundschaftlich verbundene Personen kommen zu der Übereinkunft, von nun an auch unverbindlichen Sex miteinander zu haben.

Unterschied von Freundschaft Plus zu konventioneller Partnerschaft

Bis heute gilt in unserer Gesellschaft eine monogame Partnerschaft zwischen zwei sich liebenden Menschen als die klassische Antwort auf die Frage nach einem sinnvollen Beziehungsmodell. Doch gerade junge Erwachsene können sich immer öfter eine Partnerschaft mit Sex ohne Liebe vorstellen – so zum Beispiel im Rahmen einer Freundschaft Plus. Hierbei muss keiner der Beteiligten Rechenschaft ablegen, ob und wann er verfügbar ist.

Sex mit anderen Partner*innen ist für Friends with Benefits, kurz „fwb“, normal. Dennoch ist auch hier die Monogamie eine Option. An dem Punkt sollten sich die beiden Freund*innen aber fragen, warum sie trotz der Abwesenheit von romantischen Gefühlen darauf bestehen, nur miteinander Sex zu haben.

Freunde mit gewissen Vorzügen vs. Sex-Affäre

Im Unterschied zu landläufigen Auffassung der Definition einer Sex-Affäre, sind die Partner*innen einer Freundschaft-Plus-Übereinkunft sehr miteinander vertraut. Diese emotionale Bindung kann eine gute Basis für intimen und dennoch lockeren Sex mit Freunden bedeuten. Zudem sind lange Clubnächte auf der Suche nach dem oder der Gefährtin für die eine Nacht oder die Nutzung von Dating-Plattformen für schnellen Sex obsolet.

Allerdings können die Grenzen zwischen F+ und einer Affäre auch verwischen. Ob der gemeinsame morgendliche Kaffee samt guten Gesprächen noch Affäre oder schon den Charakter von Freunden mit Vorzügen hat, können – wenn überhaupt – nur du und dein bzw. deine Partner*in selbst einschätzen. 

Abgrenzung von fwb zu Mingle

Freundschaft Plus ist zudem von dem Selbstverständnis eines Mingles abzugrenzen. Dieser oder diese ist ein Single, der zwar in einer Art Beziehung ist, sich aber sexuell wie emotional nicht an seine Partnerin bzw. seinen Partner binden möchte.

Im Gegensatz zu Friends with Benefits fußt die Übereinkunft zwischen Mingles nicht auf einer vorausgegangenen oder neu entstandenen Freundschaft. Die Beziehungs-Vorgehensweise von Mingles unterscheidet sich wiederum darin von einer Affäre, dass die Sexualpartner*innen auch über den Beischlaf hinaus gemeinsame Interessen und Aktivitäten teilen.

Risiken von Freundschaft Plus

Unverbindlicher Sex zwischen vertrauten Personen birgt allerdings auch seine Risiken. Was passiert, wenn eine oder einer der beiden Freund*innen plötzlich mehr will als eine unverfängliche Freundschaft+ Beziehung?

Da man als gute Freunde auch die Persönlichkeit des anderen kennt und schätzt, besteht die Gefahr in der Regel eher als bei einer reinen Sex-Begegnung wie die einer Affäre oder einem One-Night-Stand. Auch bei einer Freundschaft Plus mit dem oder der Ex musst du klare Grenzen setzen.

Gefühle wie Eifersucht und enttäuschte Liebe können eine vorher intakte Freundschaft grundlegend gefährden. Daher sollten die Vor- und Nachteile einer Freundschaft-Plus-Vereinbarung bereits im Vorfeld wohlüberlegt sein. Fühlt sich der Sex unter Freunden schon nach der ersten Nacht nicht richtig an, muss dies offen angesprochen werden, um die eigentliche Freundschaft der Friends-with-Benefits-Vereinbarung wieder voranzustellen.

Ehrlich währt am längsten – auch bei Freundschaft Plus

Wie bei jeder Beziehung ist auch zwischen Friends with Benefits Ehrlichkeit Trumpf. Nur wer klar kommuniziert, dass er sich zum Beispiel in den jeweils anderen – oder in eine außen stehende dritte Person – verliebt hat, handelt im besten Sinne der Freundschaft. Ist die Katze aus dem Sack, können die nächsten Schritte gemeinsam überlegt und angegangen werden.

Grundsätzlich sollte es zu einer der Regeln von Freundschaft Plus gemacht werden, dass die Abmachung im Fall eines Verliebens umgehend beendet wird. Wenn sich jedoch beide Partner*innen ineinander verliebt haben, besteht auch die Möglichkeit in den Status einer konventionellen Beziehung zu wechseln. 

Vorausgesetzt beide sind bereit, sich darauf einzulassen. Soll weiterhin kein sexueller Alleinanspruch auf den Partner oder die Partnerin bestehen, ist genauso die offene Beziehung ein denkbares Modell.

Weitere Regeln für das Gelingen von Friends with Benefits

Damit eine Freundschaft Plus auch funktioniert, sind bestimmte Regeln festzulegen. Dazu gehören neben der bereits erwähnten offenen Kommunikation folgende Aspekte:

Wahrung der räumlichen und körperlichen Distanz

Kuscheln, Händchen halten und den Austausch von Zärtlichkeiten solltest du nicht nur, aber besonders in der Öffentlichkeit vermeiden. Das gemeinsame Einschlafen ist ebenfalls keine gute Idee.

Es sei denn, die Freunde mit Vorzügen sind schon so geübt in ihrer Beziehungsform, dass eine Nacht zu zweit nicht den Hauch eines romantischen Erlebnisses hat. Auch die Zahnbürste hat keinen festen Platz im Badezimmerschrank des jeweils anderen.

Nicht jedes Kompliment passt zur Freundschaft+

Ein Kompliment hört jeder gern. Nur muss man im Zuge der Freundschaft-Plus-Tipps darauf achten, dass das gut gemeinte Lob nicht nach hinten losgeht. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. 

Rein freundschaftliche Komplimente sind ebenso zulässig wie ein Loblied auf die gemeinsamen Sex-Aktivitäten. Romantische Komplimente aber sind tabu – mag die Situation gerade noch so harmonisch sein.

Eifersucht als No-Go

Darüber hinaus hat Eifersucht bei Friends with Benefits nichts zu suchen. Um gar nicht erst ungute Gefühle aufkommen zu lassen, solltest du von Erzählungen über anderweitige, aktuelle sexuelle Begegnungen Abstand nehmen. Diese sind zwar erlaubt, müssen dem Freund mit Vorzügen aber nicht auf die Nase gebunden werden.

Anzahl der Treffen: Weniger ist mehr

Auch die Quantität der Kontakte darf nicht überhandnehmen. Täglich sehen oder schreiben zeugt nicht gerade von der Fähigkeit, eigene Wege zu gehen. Doch gerade diese Selbstbestimmtheit ist ein Grundpfeiler der Freundschaft+, um weder sich noch den anderen in seiner Entfaltung einzuengen.

Verhütung ist Pflicht!

And last, but not least: Natürlich musst du auch an Verhütung denken. Potenziell wechselnde Geschlechtspartner*innen machen ein Kondom unersetzbar. Wer eine für Freunde mit Vorzügen sicher ungewollte Schwangerschaft vermeiden möchte, sollte je nach Verträglichkeit der Frau zusätzlich auf Spirale oder Pille setzen.

Freunde mit Vorzügen – das sagen die Profis

Auch Expert*innen haben das Prinzip Freundschaft+ längst unter die Lupe genommen. So kann zum Beispiel der Paartherapeut Eric Hegmann dem Beziehungsmodell durchaus etwas abgewinnen: Die Sexpartner „konfrontieren einander nicht mit Alltagsproblemen und Verpflichtungen. Sie verbringen die guten Tage miteinander, die schlechten Tage macht jeder mit sich allein aus. Freundschaft Plus bedeutet: Größtmögliche Freiheit bei gleichzeitig minimaler Verpflichtung.“

Trotzdem wäre eine Freundschaft mit Vorzügen in der Regel keine Dauerlösung, da sie für einen der Partner*innen zumeist doch „das Ticket zum Liebeskummer“ sei. Auch Diplom-Psychologe Oliviero Lombardi sieht Chancen und Risiken zugleich.

So habe die Grundidee ihre Vorteile: „Man befriedigt zunächst gegenseitig Bedürfnisse asexueller Art – warum nicht auch sexueller Art? Monogame Beziehungen sind recht konservative Modelle, die schlicht und ergreifend unserem Zeitgeist geschuldet sind.“ Dennoch glaubt Lombardi, „dass man eine richtige und feste Beziehung anstreben sollte. Das hat mehr Glückspotenzial als alles andere.“

Die Studienlage: Nackte Zahlen lügen nicht

Ein spannendes Thema wie F+ bleibt auch von der Forschung nicht verschont. So berichtet unicium.de über eine Umfrage der Meinungsforschungsplattform Appinio unter 1002 befragten Frauen und Männern zwischen 14 und 34 Jahren mit folgenden Ergebnissen: 23 Prozent der Befragten gaben an, bereits die Erfahrung einer Freundschaft Plus gemacht zu haben. 

Zumindest weitere 23 Prozent der Interviewten würden einen Versuch wagen, während 44 Prozent nicht daran interessiert sind. Besonders spannend ist folgendes Ergebnis: Alle Freundschaft-Plus-Beziehungen endeten nach maximal drei Monaten, oftmals weil sich eine der beiden Personen in eine außenstehende Person verliebt hatte.

Trotzdem scheint der Grundgedanke von Freundschaft+ in Teilen der Bevölkerung positive Assoziationen hervorzurufen. Das Sinus-Institut fand in einer generellen Umfrage zum Thema „Freundschaft“ unter anderem heraus, dass jeder dritte Erwachsene mit sexuellen Beziehungen zwischen Freunden kein Problem hat.

Noch einmal deutlich stärker pro Freundschaft Plus fallen die Ergebnisse einer Studie von JOYclub aus, die unter 2000 der weiblichen und männlichen Nutzern durchgeführt wurde. Hier beantworteten knapp 62 Prozent die Frage, ob eigene Erfahrungen mit Freundschaft+ bestehen, mit ja. Rund 75 Prozent der Befragten sind dem Beziehungsmodell grundsätzlich zugeneigt und wüssten sogar, mit wem sie es machen würden.

Von den Teilnehmer*innen der Umfrage, die bereits eine Freundschaft Plus hatten, sagten übrigens stolze 82 Prozent, dass die Freundschaft in der Folge nicht in die Brüche gegangen wäre. Eine echte Liebesbeziehung sei aber nur bei 5,5 Prozent entstanden. Die Kehrseite der Medaille von F+: 44,6 Prozent der Befragten finden es nicht gut, wenn der Partner bzw. die Partnerin eine enge Freundschaft zum anderen Geschlecht unterhält.

Dass diese potenzielle Eifersucht berechtigt sein könnte, zeigt auch die Antwort auf die Frage nach der Qualität von Sex unter Freunden: Fast 45 Prozent empfanden diesen besser als den Geschlechtsverkehr in herkömmlichen Beziehungen.

Bist du der Typ für Freundschaft Plus? Mach den Test!

Wie gesehen ist das Sex-Motto von Freunden mit Vorzügen nicht jedermanns Geschmack. Für manche kann es befremdlich wirken, mit dem Kumpel zu schlafen oder der Kumpeline ins Bett zu steigen. Andere hingegen sehen in F+ die Gelegenheit für unkomplizierten Casual Sex.

Finde heraus, ob du der Mann oder die Frau für eine Freundschaft mit gewissen Vorzügen bist. Je mehr der folgenden Aussagen auf dich zutreffen, desto eher ist Friends with Benefits genau dein Ding:

• Du bist ein selbstbewusster Single auf der Suche nach sexuellen Abenteuern
• Unabhängigkeit ist für dich ein hohes Gut
• Du möchtest mehr als einen bzw. eine Sexpartner*in haben
• Sex soll für dich nie zur Routine werden
• Eifersüchtig wirst du höchstens dann, wenn du wirklich jemanden liebst
• Besitzansprüche sind dir fremd
• Spaß ist dir (momentan) wichtiger als ernsthafte Gefühle
• Du hegst keine romantischen Gefühle für deinen Friend with Benefits in spe
• Du bist dir sicher, dass auch er oder sie einer solchen Beziehung gewachsen ist

Wo finde ich F+ Kontakte?

Eine Freundschaft mit Extras muss nicht zwangsläufig aus einer bereits bestehenden Freundschaft resultieren.

Auch die Suche nach neuen Freund*innen in Zusammenhang mit der Friends-with-Benefits-Prämisse ist keine Seltenheit. Dafür eignen sich insbesondere Erotikbörsen wie SexZone.

Im analogen Leben kann eine F+ eher nicht aktiv gesucht werden, da sich die Idee für Sex unter Freunden zumeist zufällig im Laufe der jeweiligen Freundschaft ergibt.

Haltbarkeitszeit von Freundschaft Plus

Zeit für ein Fazit: Freundschaft+ kann ein unbeschwertes Sex-Erlebnis sein, wobei die Konstellation auf Dauer wohl nicht haltbar ist. Spätestens wenn sich einer der beiden Parts des Arrangements in den anderen oder eine dritte Person verliebt, ist das Beziehungskonstrukt in Gefahr.

Unterstützung findet diese These auch auf der Ebene des Kinofilms. Zwar ist Hollywood nicht unbedingt der geeignete Ratgeber für alternative Sex-Beziehungsformen. Doch bei diesem Thema gehen Expertenmeinungen und Studienergebnisse mit der fiktionalen Welt einher. Auch in den beiden romantischen Komödien „Freundschaft Plus“ und „Freunde mit gewissen Vorzügen“, läuft die Romantik dem Sex letztlich doch noch den Rang ab.