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Wo fängt Fremdgehen an?
Menschliche Beziehungen sind ein kompliziertes Geflecht. Insbesondere, wenn Sex auf Liebe trifft. Wird nämlich eine oder einer der beiden Partner*innen untreu, ist Beziehungsstress vorprogrammiert. Doch ist Küssen schon fremdgehen oder ab wann geht man offiziell fremd?
Das kommt auch auf die Definition von Betrügen an. Welches Verständnis von Untreue in unserer Gesellschaft vorhanden ist, und ob es dabei Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt, wird im Folgenden erläutert.
Fremdgehen – ein Definitionsversuch
In monogamen Beziehungsformen ist Sex mit anderen Personen tabu. Doch ab wann beginnt Fremdgehen? Für die meisten Menschen gilt bereits ein intimer Kuss als Verstoß gegen die Abmachung, seinem Partner oder seiner Partnerin treu zu sein. Andere wiederum ziehen die Grenze erst, wenn es zu Sexpraktiken und Beischlaf kommt. Ist auch das kein Problem, spricht man in der Regel von einer offenen Beziehung.
Daher ist die Definition von Fremdgehen eher nicht an einer bestimmten Handlung des Partners oder der Partnerin festzumachen. Vielmehr fängt Untreue dort an, wo die gemeinsame Abmachung gebrochen und damit das Vertrauen sowie die Empfindungen des Partners bzw. der Partnerin verletzt werden.
Wann beginnt Fremdgehen?
Um zu ermitteln, wann für die Menschen Fremdgehen anfängt, hat die Online-Partnervermittlung ElitePartner im Jahr 2020 eine Studie erhoben. Der Paukenschlag gleich vorneweg: Die bevölkerungsrepräsentative Umfrage ergab, dass fast ein Drittel (28,8 %) der befragten Frauen und Männer in Deutschland mindestens einmal fremdgegangen sind.
Der relativ hohen Quote an Fremdgeher*innen steht das Bedürfnis nach Treue, das man der Befragung ebenfalls entnehmen kann, diametral entgegen. Um die Definition von Betrügen genauer zu ermitteln, wurden diverse Aspekte abgefragt, die in Zusammenhang mit potenzieller Untreue stehen können.
Ist Flirten und Küssen fremdgehen?
Der Umfrage zur Folge bezeichnen 25,8 Prozent der befragten Frauen und 19,9 Prozent der Männer bereits Flirten als Fremdgehen. Einen Kuss hingegen empfinden mit 70,2 Prozent der Frauen und 58,3 Prozent der Männer deutlich mehr Befragte als Partnerschafts-Betrug.
Die Klassiker der Untreue: Seitensprung & Affäre
Hat der Partner oder die Partnerin Sex mit einer weiteren Person, sehen die meisten Menschen rot. Ein Seitensprung wie der One-Night-Stand ist für 71,3 Prozent der weiblichen und 60,4 Prozent der männlichen Befragten ein Zeichen von Untreue.
Eine Sex-Affäre des Partners bzw. der Partnerin wird von 74,4 Prozent der Frauen und 64,5 Prozent der Männer als No-Go eingestuft.
Emotionales Fremdgehen
Nicht nur der körperliche Austausch mit einem anderen Menschen kann als Betrug empfunden werden. Kommen Emotionen mit ins Spiel, sind Frauen besonders auf der Hut. Verliebt sich der oder die Partner*in in jemand anderen – hat also sozusagen eine emotionale Affäre –, halten das 44,0 Prozent der Frauen für Betrug, während das unter den befragten Männern lediglich 30,2 Prozent als Fremdgehen ansehen.
Dass das Fremdgehen im Kopf ein ebenso großer Betrug wie der körperliche sein kann, weiß der Paarberater Christian Thiel. Ihm zufolge bedeutet emotionales Fremdgehen, dass „sich jemand heftig zu jemand anderem hingezogen fühlt“. Mehr als vielleicht beim Sex sei dieser andere zumindest temporär wichtiger als der eigene Partner bzw. die eigene Partnerin.
Pornokonsum & sexuelle Fantasien
Fast doppelt so viele Frauen (13,1 %) wie Männer (6,8 %) empfinden das heimliche Konsumieren von Pornos als untreue Handlung.
Auch das Fremdgehen im Kopf wird mit 12,7 Prozent von mehr Frauen als Betrug wahrgenommen als von Männern, bei denen nur 7,5 Prozent damit ein Problem haben.
Nutzung von Dating-Apps
In Zeiten des Internets sind nicht nur Pornofilme deutlich verfügbarer als früher. Darüber hinaus ist es ganz einfach möglich, mittels eines Seitensprungportals quasi vom Sofa aus neue Menschen kennenzulernen. Das erhöht auch die Gefahr für Untreue.
Über die Hälfte aller Befragten haben allein schon die Anmeldung des Partners bzw. der Partnerin in einer Dating-App als Betrug definiert. Bei den Männern waren es 43,5 Prozent, bei den Frauen sogar 60,5 Prozent. Somit kann Fremdgehen schon beim Schreiben von Nachrichten anfangen.
Natürlich ist vielen Befragten auch die analoge Suche nach neuen Sexkontakten ein Dorn im Auge. Hält der Partner bzw. die Partnerin gezielt nach jemand anderen Ausschau, fühlen sich 60,6 Prozent betrogen (Frauen 67,2 % / Männer 54,5 %).
Wann beginnt Ehebruch?
Untreue in der Ehe kann noch eher gravierende Folgen haben, als die Untreue von ehelosen Partner*innen oder Jugendlichen – schließlich sind häufig auch Kinder von den Konsequenzen einer möglichen Scheidung betroffen. Allerdings gibt es die Tendenz, dass Menschen mit steigendem Alter – und hier findet man bei Beziehungen häufig Ehepaare vor – eine größere Gelassenheit hinsichtlich der Einschätzung an den Tag legen, wann Untreue beginnt.
Kleinere Flirts oder sogar ein One-Night-Stand können für eine gefestigte Beziehung wie die einer Ehe manchmal weniger gefährlich sein, als wenn ein Teenager oder eine Teenagerin sich in der Partnerschaft noch die Hörner abstoßen möchte. Die Psychologin Lisa Fischbach erklärt die Unterschiede zwischen den Generationen folgendermaßen:
„Die Bereitschaft, sich bei einem einmaligen Seitensprung zu trennen, ist bei älteren Paaren viel geringer. Junge Menschen sind mehr von Idealvorstellungen geleitet und haben eine romantischere Einstellung zur Liebe.“
Treue Seele oder notorischer Fremdgeher?
Je nachdem, welche Übereinkunft ein Paar getroffen hat, variiert die Definition von Fremdgehen. Auch wenn in unserem Kulturkreis insbesondere der physische Sex mit einer dritten Person in Form von Seitensprüngen oder einer Affäre als Fremdgehen betitelt wird, muss jedes Paar letztlich selbst bestimmen, wo Untreue anfängt.
Sobald jedoch Geheimnisse und Lügen einen Schatten über die Beziehung werfen, weil eine oder einer der Partner*innen bestehende Abmachungen gebrochen hat, liegt – auch ganz objektiv betrachtet – eindeutig Untreue vor.