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Macht euch frei! Was Heteros von Homos lernen können
Studien zeigen: Homosexuelle Paare berichten häufiger von einem erfüllteren Sexleben als heterosexuelle. Doch warum ist das so? Was machen sie anders, und was können Heteros daraus lernen? Unser Autor beleuchtet die wichtigsten Erkenntnisse und zeigt, wie man sich von eingefahrenen Mustern befreien kann.
Von schwulen Männern lernen
Kristen Roupenians „Cat Person“ ist eine der meist am diskutierten Kurzgeschichten der letzten Jahre. Sie wurde millionenfach im Internet geteilt, unglaublich viele Menschen konnten sich mit ihr identifizieren. Dabei handelt die Story von einem Tabu: Es geht um richtig schlechten Sex.
Die Geschichte könnte genauso überall und jeden Tag passieren: Margot, Anfang 20, verabredet sich mit dem 34-jährigen Robert. Sie nähern sich an, irgendwann kommt es zum Kuss, dann zum Sex. Beides ist fürchterlich. Margot lässt Robert daraufhin fallen und fängt an, ihn zu ghosten. Als sie sich später zufällig über den Weg laufen, wird Robert per SMS ausfallend, beschimpft sie als „Whore“.
„Cat Person“ beschreibt heterosexuelles Dating per excellence: Falsche, unerfüllte Erwartungen, die große Enttäuschung im Bett, Ghosting und natürlich: Slutshaming. Ja, es stimmt, liebe Heteros: Euer Dating-Life ist echt kein Zuckerschlecken. Und trotzdem: Es kann auch anders gehen. Ein Blick in die schwule Welt zeigt, was alles möglich ist.
Sexdates müssen nicht kompliziert sein
Ich bin schwul – und ich habe viel und gerne Sex. Sexkontakte zu finden, ist heutzutage überhaupt kein Problem (zumindest wenn du schwul bist): Einfach App einschalten, ein paar Leute in deiner Nachbarschaft anschreiben, Bilder tauschen, kurz die wichtigsten sexuellen Vorlieben klären. Zack, fertig: Sexdate.
Ein erstes Kennenlernen in einer Bar oder in einem Restaurant? Wie unnötig. Kein Sex beim ersten Treffen? Wie langweilig. Für ein Sexdate braucht es keine großen Gefühle und auch kein romantisches Kennenlernen. Es geht einzig und allein darum, spontan Druck abzulassen, einen fremden Körper zu spüren, miteinander intim zu werden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Na klar: Auch schwule Sexdates können manchmal richtig schlecht sein. So what? Wenn es im Bett nicht passt, kann man doch immer noch befreundet bleiben. Das ist in der schwulen Welt gar kein Problem. Viele meiner besten Freunde habe ich im Bett kennengelernt.
Monogamie funktioniert auf Dauer nicht
Ich bin seit fast fünf Jahren glücklich vergeben. Trotzdem schlafe ich auch mit anderen Männern. Für meinen Freund ist das okay. Er hat schließlich die gleichen Rechte: Ihm gefällt ein Typ in einer Bar oder in einem Club? Warum sollte er dann nicht mit ihm flirten und schauen, was sich ergibt? Und wenn er mit seinem Flirt später in die Kiste möchte: Wo ist das Problem?
Das Konzept der Monogamie mag ja ganz romantisch klingen. Bloß: Es funktioniert nicht. Laut einer Elitepartner Studie von 2020 ist bereits jeder dritte Mann und jede dritte Frau schon mal in einer Beziehung fremdgegangen. Und Umfragen aus anderen Dating-Portalen legen nah: Die Dunkelziffer könnte noch etwas höher liegen.
Der Mensch, so scheint es, ist für ein monogames Leben einfach nicht gemacht. Warum machen wir uns weiter etwas vor? Es ist endlich Zeit für mehr sexuelle Offenheit. Auch in unseren Beziehungen.
Sexpositive Parties liegen im Trend
Ob Pornceptual in Berlin oder Zusammen Kommen in Wien – der Hedonismus erfreut sich einer neuen, großen Beliebtheit. Möglicherweise stehen uns sogar neue goldene 20er Jahre bevor à la Babylon Berlin. Sexpositive Parties jedenfalls liegen in fast jeder Großstadt derzeit absolut im Trend.
Doch was hat es mit diesen Veranstaltungen auf sich? Grundsätzlich gilt: Eine sexpositive Party ist kein Swingerclub und auch kein Bordell. Es gibt keine Garantie für Sex und auch keine Verpflichtung überhaupt sexuell aktiv zu werden. Doch: Wenn du jemanden gut findest und vor Ort mit der Person intim werden willst, dann gibt es dafür ausreichend Raum: Erotische Spielwiesen, Darkrooms, Pornokinos – um nur einige Möglichkeiten zu nennen.
Sexuelle Grenzen verschwimmen auf sexpositiven Events und werden unsichtbar. Ob Mann mit Mann, Mann mit Frau oder Frau mit Frau. Ob zu zweit, zu dritt, zu viert oder zu fünft. Alles ist möglich, nichts ist ausgeschlossen. Hauptsache, du hast Spaß und kannst deine Sexualität in vollen Zügen genießen.
Slutshaming? Nein danke
In „Cat Person“ wurde Margot als „Whore“ bezeichnet, weil sie kein zweites Treffen wollte. Ihr geht es damit wie vielen Frauen in der realen Welt. Wer als Frau gerne einmaligen, unkomplizierten Sex hat, wird schnell als Schlampe abgestempelt. Ein Mann, der viel Sex hat, gilt auch heutzutage immer noch als Frauenheld. What the f*ck.
In der schwulen Welt ist der Sex hingegen allgegenwärtig. Es gibt (fast) keinen Weg daran vorbei. Das bedeutet dann aber auch: Für Slutshaming ist dort überhaupt kein Platz. Warum in der heterosexuellen Welt die weibliche Sexualität hingegen so häufig tabuisiert wird, habe ich noch nie verstanden. Sind andere Dinge nicht viel wichtiger, als die Anzahl deiner Sexpartner?
Macht euch endlich locker, liebe Heteros!
Ein Blick in die Wissenschaft zeigt: Homosexuelle haben in der Regel mehr und besseren Sex. Sie sind experimentierfreudiger und verstehen es außerdem sehr gut zwischen Sex und Liebe zu unterscheiden. Das macht das Leben insgesamt sehr viel einfacher. Vor allem in einer Partnerschaft.
Na klar: Eine offene Beziehung ist nicht sofort für jeden etwas. Viele Paare benötigen erst einmal Zeit, sich richtig kennenzulernen und zu verstehen, wie der andere im Bett tickt. Dennoch kann es ratsam sein, dem Partner oder der Partnerin in sexuellen Dingen mit einer gesunden Neugierde und Offenheit zu begegnen. Tabus und Verbote werden ohnehin nur selten eingehalten.
Was können Heteros aber vor allem von Homos lernen? In Sachen Sex wahrscheinlich das: Macht euch endlich frei! Es lohnt sich, neue Dinge auszuprobieren und es ist egal, was andere darüber denken. Macht im Bett das, worauf ihr Lust habt und lasst euch nicht in euer eigenes Leben hineinreden. Von niemandem.