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Die Wahrheit über Sexarbeit: 6 Sexworkerinnen erzählen ihre Storys
Sexarbeit ist noch immer ein gesellschaftliches Tabuthema, obwohl sie für die meisten Sexarbeiter*innen ein Job wie jeder andere ist. Viele von ihnen kämpfen gegen die Stigmatisierung und für die Anerkennung. Neben klassischer Prostitution verdienen Sexworker*innen bspw. Geld auf OnlyFans, als Domina oder setzen sich als Aktivist*innen für Chancengleichheit in der Branche ein.
6 Sexarbeiterinnen haben mit dem Erotik-Portal Erobella über ihre Arbeit gesprochen. Hier verraten wir die nackte Wahrheit über Sexarbeit.
1) LouLou L’Amour: Transsexuelle Sexarbeiterin hat bis zu 16 Kund*innen am Tag
Von der Verwaltungsfachangestellten zur Prostituierten: Was nach einem klischeehaften Hollywood-Streifen klingt, ist für die transsexuelle Sexarbeiterin LouLou L’Amour Realität: „Ich bin eine spezielle Person und das mögen die Leute.” Ihre Familie hat ihre Transsexualität und ihren Job als Prostituierte immer positiv aufgenommen, was sie erfüllt: „Man muss es demjenigen erklären, weil dieser Beruf stigmatisiert ist und gesellschaftlich weniger akzeptiert ist als ein normaler Job. […] Sexarbeit ist für mich Berührungskunst.”
Ihre Kundschaft empfängt LouLou über den ganzen Tag hinweg: „Manchmal habe ich 2 Kunden, aber ich habe auch schon 16 Kunden gehabt.” Viele wollen reden, in den Arm genommen werden oder Oralsex – und natürlich ihren Körper berühren, weil sie einen Penis hat. Vielfalt ist laut LouLou sexuell anziehend für Männer und sie will ihren Job auf keinen Fall aufgeben: „Ein Sänger ist bis zu seinem Tod ein Sänger – so ist das auch bei mir.”
2) Lady Susan: Ältester Gast der klassischen Domina ist 96 Jahre alt
Für die klassische Domina Lady Susan ist jeder Tag und jeder Gast anders und schön. Ihre Kunden*innen kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten, vom Azubi bis zum Uni-Professor. Der Jüngste war 18 Jahre und ihr ältester Sub ist 96 Jahre alt. Sie erfüllt seit 10 Jahren hauptberuflich als Domina die Erwartungen und Fetische ihrer Kund*innen – immer mit dem richtigen Maß und Verantwortungsbewusstsein für die Grenzen ihrer Sklav*innen.
Warum braucht man eigentlich Dominas in der Welt der Sexarbeiter*innen? In Lady Susans BDSM-Studio kann man Dinge ausleben, die man draußen nicht leben kann, weil sie tabu sind. Sie erklärt: „Ein Mann kann bei mir in die weibliche Rolle schlüpfen, sich führen lassen und ihm wird alles abgenommen.” BDSM sei eine große Bereicherung und fülle eine Lücke im Leben. „Es geht nicht nur um Schmerz, sondern auch um Rollenspiele. Es geht darum, jemanden im Kopf zu kriegen und Punkte zu berühren, die er selbst nicht berühren kann.” Und diese Punkte drückt die erfahrene Domina bei ihren meist männlichen Kunden.
3) Rory: Für die Aktivistin entstigmatisiert Sexwork den Sex auf allen Ebenen
Sexworkerin und Aktivistin Rory wusste schon immer, was sie tun muss, um von Männern finanzielle Benefits zu bekommen. Sie arbeitete erst für eine Escort-Agentur und dann für den Verein Hydra, der Beratungen anbietet und aktiv zur Entstigmatisierung der Branche beiträgt. Sexarbeit wird laut Rory gesellschaftlich in zwei Extremen gesehen: als totaler Absturz oder maximaler Luxus. Die Realität sieht laut ihr anders aus: „90 Prozent der Fälle liegen irgendwo dazwischen. Die Einnahmequellen sind seit der Pandemie schlechter geworden.”
Dabei kann Sexarbeit viel leisten und Heilungsprozesse bei Kund*innen bewirken, wie Rory weiß: „Ich habe bei einem Kunden durch ein langes Date Heilungsprozesse anregen können, die im normalen Leben kaum möglich sind.” Sexarbeit ist Carearbeit, wie es sie in vielen Berufen auch gibt. Sexarbeiter*innen müssen eine Atmosphäre schaffen, die sich gut anfühlt, und sich auf unterschiedliche Menschen einlassen können. Diese Arbeit wird für Rory oft nicht wertgeschätzt, was zur Stigmatisierung von Kund*innen und Sexworker*innen führt.
4) Anja Mack: Ex-Escort-Dame erfährt als Sexualtherapeutin die Diskriminierung von Sexworker*innen
Bevor sie ihrer Berufung folgte und Sexualtherapeutin wurde, arbeitete Anja Mack als Escort für verschiedene Agenturen und verdiente dabei bis zu 15.000 Euro pro Wochenendtrip. Eine Summe, die die Schattenseiten der Branche nicht ausgleichen konnte. Immer mehr Sexworker*innen erzählen ihr von ihren Erfahrungen mit Zwangsprostitution, krassen BDSM-Kontexten, aus denen sie nicht herauskommen, oder ungewollten Schwangerschaften. Anja stieg deswegen aus der Branche aus und wurde Sexualtherapeutin.
Sie kennt die Szene genau und hatte selbst einen krassen Grund, um Sexarbeiterin zu werden: „Ich hatte einen Stalker und bin dann zur Sexarbeit, um meine Menschenkenntnis und Sexualität wieder zu bekommen. Das konnte mir keine Therapie geben.” Selbst als Sexualtherapeutin erfährt sie immer wieder, wie unterirdisch die Diskriminierung für alle ist, die mit Sex arbeiten. Dabei sieht sie einen klaren Vorteil, denn Sexarbeit verhilft zu einem tollen Körpergefühl und der Gabe, Grenzen und Vorlieben ausdrücken zu können.
5) Lou Nesbit: OnlyFans-Model dreht Pornos für mehr Selbstbewusstsein
Lou Nesbit (siehe unser Interview), ehemalige Hardcorepornodarstellerin, startete schon mit 18 Jahren – erst als Cam Girl und dann mit Porno-Drehs: „Ich wollte mein Selbstbewusstsein aufpolieren […] Ich dachte, Pornostar ist etwas Tolles, wie ein Gangster.” Lou machte jedoch während ihrer Karriere schlechte Erfahrungen und kehrte der Pornobranche vorerst den Rücken: „Heute fühle ich mich mit den Dingen von früher nicht wohl.” Sie selbst sieht sich nicht als Prostituierte, sondern als Porn Content Creator. Inzwischen dreht sie nur noch eigene Pornos oder versorgt ihre Fans auf OnyFans mit heißen Inhalten.
Sie entscheidet heute selbst, wann und wie sie drehen will und geht privat offen mit ihrem Job um – obwohl sie privaten Sex und Cam Erotik klar trennt: „Privater Sex ist anders als Sex vor der Kamera. Da machst du das für deinen Partner und nicht für den Zuschauer.” Lou und ihr Ex-Partner Egon Kowalski, ebenfalls Pornostar, hatten darum nie ein Problem mit Eifersucht.
6) Luna Silver: Escort findet, dass man von von Sexarbeiter*innen viel lernen kann
Sexarbeiterin Luna Silva war von ihrem 9-to-5-Job in der IT-Branche müde. Die ersten Wochen als Escort waren sehr intensiv, weil es eine komplett andere Welt für Luna war. Sie arbeitete bereits als Stripperin in Amsterdam, entschied sich aber, nach Deutschland zu gehen, weil es hier eine große sexpositive Community gibt: „Die meisten meiner Freunde sind Sexarbeiter*innen.”
Luna erfährt aber auch Diskriminierung, indem ihr Fremde sagen, dass sie als Sexarbeiterin keine eigene Meinung haben sollte. Dabei haben Sexworker*innen eine Menge zu bieten: „Viele Menschen könnten von Sexarbeitenden lernen, offen und ehrlich miteinander zu kommunizieren, was sich positiv auf jede deiner Beziehungen auswirkt.” Als Sexarbeiterin habe sie viel über ihren Körper und ihre Sexualität gelernt.